Ausstellung historischer Bauzeichnungen zum Rathaus

Im Rathaus ist seit 24. April 2025 eine neue Ausstellung im Rahmen des 100-jährigen Bestehens des Verwaltungsgebäudes zu sehen. Bis Ende August 2025 sind Originalbauzeichnungen und verschiedene Arbeitsmaterialien wie Zirkelkästen aus der damaligen Zeit ausgestellt. 

Interessant dürfte die Ausstellung insbesondere im Zusammenhang mit der geplanten Sanierung des Rathauses in den kommenden Jahren sein. Die Kubatur wird nicht verändert werden, so Bürgermeister Michael Bedla zur Eröffnung, jedoch bedarf es nach 100 Jahren dringend einer Sanierung. 

Stadtarchivar Ralf Schade führte zur Eröffnung der Ausstellung durch das Haus und gewährte den Gästen Einblicke in den Ratssaal, die Stadtkasse und unterhielt auch mit einer Anekdote zu Neurervorschlägen in der DDR im Bereich des Einwohnermeldeamtes. Besonders interessierte die Gäste die Amtskette des Bürgermeisters, die zur Ausstellungseröffnung zum Anfassen offen lag, während Ralf Schade über die Hintergründe der Anfertigung und die Entstehung informierte. 

Die Ausstellung kann wie üblich zu den Sprechzeiten der Stadtverwaltung dienstags und donnerstags besichtigt werden.

Zur Geschichte des Gebäudes: 

Seit Anfang der 20er Jahre war der Zweckverband Leuna bemüht, ein eigenes Veraltungsgebäude bauen zu lassen. Entwurf und Projektierung wurden 1921/22 öffentlich ausgeschrieben. Den Zuschlag bekam Kurt Jahn. Aufgrund der Inflation 1918-1923 wurde der Baubeginn auf die Zeit nach der Inflation verschoben. Der Bau begann am 18. Januar 1924. Das Leunaer Rathaus trug bis 1930 die Bezeichnung Zweckverbandsverwaltungsgebäude. Es wurde am 11. Mai 1925 seiner Bestimmung übergeben. Am gleichen Tage wurde auch das neue 2-Klassen-Schulgebäude in Leuna-Nord auf dem Areal der Heutigen BP-Tankstelle gelegen, eröffnet. Und als drittes Ereignis wurde der 8. Jahrestage der Unterzeichnung der Zweckverbandssatzung (11. Mai 1917) gefeiert.

Die Eröffnungsveranstaltung für die neue Schule in Leuna-Nord und das Verwaltungsgebäude des Zweckverbandes fanden in der neuen Schule statt. Anwesend waren u. a. Zweckverbandsvorsteher Cornely, Regierungspräsident Grützner, Regierungsdirektor Volkheim, Oberregierungsrat Eichhorn, Oberregierungs- und Schulrat Dr. Sieke, Regierungsrat Dehlhass, Landrat Guske, Oberbürgermeister Herzog (Merseburg), Bürgermeister Dr. Mosenbach, Assessor Boller (Ammoniakwerk) und die Bürgermeister der anderen Städte des Landkreises Merseburg. Nach der Eröffnungsfeier besichtigten die Ehrengäste die Baustelle der Handwerksiedlung (Sattlerstraße mit Nebenstraßen). Von dort fuhren die Ehrengäste mit einem Sonderwagen der MÜBAG zum Zweckverbandsverwaltungsgebäude.

Das Zweckverbandsverwaltungsgebäude war mit Reichsflaggen und Preußenflaggen beflaggt. Dort führte Cornelius Conely die Ehrengäste durch das Haus. Den Gästen fiel sofort die Besonderheit des Grundrisses auf, der linke Flügel war leicht nach hinten geknickt. Cornely begründete diese Besonderheit mit der geplanten Baulinie  für den späteren Ausbau der Rathausstraße.

Im Kellergeschoss befand sich die für damalige Verhältnisse moderne Heizungsanlage die Warmwasserversorgung, zwei Gefängniszellen, Lagerräume und die Toilette für Gäste. In der rechten Seite des Erdgeschosses befanden sich das Einwohnermeldeamt mit moderner Kartothek, das Steueramt, das Polizeivernehmungszimmer und das Büro des zuständigen Abteilungsleiters. Auf der linken Seite des Erdgeschosses befanden sich die Kämmerei und die Stadtkasse. In der Stadtkasse trennten breite Zahltische die Beamten von den Besuchern. In der Stadtkasse waren die Schreibtische als Doppelpulte ausgeführt. Die restlichen Räume des Erdgeschosses waren Reserveräume. Das Treppenhaus und die Flure waren mit roten Läufern ausgelegt.

Das Sitzungszimmer war als Repräsentationszimmer gedacht. Die Gestaltung dieses Zimmers stand im Zeichen der Ur- und Frühgeschichte des Siedlungsraumes Leuna.

Zwischen den Holzbalken an der Decke waren Ornamente der Steinplatten des Göhlitzscher Steinkammergrabes gemalt. Der Raum selbst war holzgetäfelt.

In den vier Ecken des Raumes war jeweils ein Glasschrank eingebaut. In diesen Glasschränken befanden sich Nachbildungen der wertvollen archäologischen Funde (Gefäße der Rössener Kultur) und Modelle des Rössener Hügels, des frühgeschichtlichen Backofens, des Fürstengrabens und des Göhlitzscher Steinkammergrabes. Der Zweckverbandsvorstand hat sich bei der Gestaltung des Sitzungssaales vom Altertumsforscher Dr. Hahne, von der Universität Halle, beraten lassen. In der Mitte des Raumes stand ein großer ovaler Tisch mit 26 Sessel für die Abgeordneten.

An den Sitzungssaal grenzte das Zimmer des Zweckverbandsvorstehers/ Bürgermeisters an. Dieses Dienstzimmer war ebenfalls getäfelt. Die Möbel dieses Zimmers waren aus indischen Palisander hergestellt. In den eingebauten Schränken befand sich die Dienstbibliothek der Zweckverbandsverwaltung.

Hinter diesem Zimmer befanden sich das Trauzimmer und ein Dienstzimmer der allgemeinen Verwaltung.

Gegenüber dem Dienstzimmer des Zweckverbandsvorstehers befand sich ein Warteraum. In der Mitte dieses Raumes lag in einer Vitrine das Skelett einer schwangeren Frau aus der Steinzeit. Im Bereich der Bauchhöhle der schwangeren Lag das Skelett eines Embryos. Diese Vitrine wurde von Herrn Ortmann (Vorsitzender des damaligen Merseburger Heimatvereins) gestaltet.

In der oberen Etage befanden sich drei Wohnungen, zwei Wohnungen für Beamte und eine Hausmeisterwohnung. Bei der Vergrößerung der Verwaltung war vorgesehen, diese drei Wohnungen in Büros umzubauen. Besonders hervorgehoben wurde der Blick vom Bodenfenster. Bei klarem Wetter sollte man am östlichen Horizont das Leipziger Völkerschlachtdenkmal sehen können.

Die Maximalkapazität des Verwaltungsgebäudes sollte zur Verwaltung von 20000 Einwohnern ausreichend sein. Es war vorgesehen, für den Fall, dass Leuna einmal mehr als 20000 Einwohner hat, ein neues Verwaltungsgebäude zu bauen.